Downtimes – Eine Hassliebe
Jeder, der mehr als nur sechs bis acht Stunden im Monat auf das Hobby verwendet, wird irgendwann mal an den Punkt gekommen sein, die Geschehnisse zwischen zwei Abenden mit einer Downtime zu füllen. Oder aber, man findet so viel Spaß am Spiel, dass die Treffen einmal im Monat einfach nicht reichen. Warum auch nicht? Downtimes, ob geschrieben oder ausgespielt, bringen Spaß, erzeugen fortlaufendes Spiel und verkürzen die Zeit zwischen zwei Session. Es ist eine gute Möglichkeit den Charakter organischer zu spielen und zu erleben. Ferner kann man Dinge ausspielen, die aufgrund von Einschränkungen im Live nicht weiter darstellbar sind. Oder, wie so häufig unter Vampiren, man will Privates besprechen, was die eigenen vier Wände nicht verlassen soll. Es gibt viele Gründe, die für eine Downtime sprechen. Ich selbst liebe sie auch. Downtimes nehme ich als hervorragende Möglichkeit wahr, persönliches Charakterspiel zu betreiben, aus dem ich viel ziehe und um Allianzen zu schmieden. Auch sind Downtimes eine tolle Möglichkeit andere Charaktere besser kennenzulernen und Verknüpfungen zu vertiefen.
Aber als SL habe ich gelernt, sie auch ein wenig zu verteufeln. Oder besser ausgedrückt: Sie kritisch zu beäugen.
Warum? Nun, eines erst einmal vorweg: Ich schätze es, wenn sich alle am Plot beteiligen, etwas vorantreiben wollen und ihren Charakter dadurch verfestigen. Aber manche Inhalte von Downtimes wären eher etwas für einen Domänenabend.
Ein Spielabend lebt davon, dass sich die Domänenmitglieder treffen und austauschen können. Es werden aktuelle Geschehnisse, ob politisch oder gesellschaftlich, diskutiert. Man trifft auf Bündnispartner, die einen gerade unterstützen und gibt sich selbst der Suggestion hin, dass nicht die isolierte, vereinsamte Bestie die vollkommene Kontrolle übernimmt. Der menschliche Trieb, Teil einer sozialen Gruppe zu sein, sollte in jedem vampirischen Wesen noch vorherrschen und so zieht es ihn zwangsläufig auf eine gesellschaftliche Einladung. Schließlich liegt es immer noch in seinem Naturell, informiert zu sein, ja noch darüber hinaus, etwas selbst mitzuerleben. Denn Erzählungen wiegen nicht die Chance auf, etwas selbst aktiv mitzubekommen. Außerdem ist es einfach sicherer seine Bündnispartner, ich rede hier ganz klar nicht von „Freunden“, vor allen Augen zu treffen. Denn, Raubtiere werden sich zwangsläufig irgendwann eliminieren, auch wenn sie noch für den Moment zusammenarbeiten. Viel zu hoch wäre die Gefahr, einfach sang- und klanglos von gerade noch Verbündeten verraten und entsorgt zu werden. Nun werden einige Leser protestieren, dass Vampire doch alles höchst geheim machen. Das ist richtig. Aber unter der Maxime, dass wir füreinander und miteinander spielen, muss man sich auch fragen, welchen Impact es noch hat, wenn ich meine Downtime mit einem weiteren Spieler im Forum oder heimischen Wohnzimmer spiele. Wer hat da die Chance, es aktiv mitzubekommen? Außer der SL, die auf die Texte zugreifen kann, partizipiert und profitiert niemand am und vom Spiel. Und so wird dem Mitspieler aktiv weggenommen, was explosiv werden könnte. Ein Impuls verschwindet im schlimmsten Fall im Nichts. Im besten Falle bekommen die anderen nur Auswirkungen davon mit.
Wie aber nun das Problem der Geheimniskrämerei umgehen? Jede Örtlichkeit wird Rückzugsorte haben: das Treppenhaus, die kleine Nische, das abseitsstehende Sitzmöbel… Wenn man sich einmal konkret auf einer Session nach solchen Orten umsieht, wird man schnell fündig werden. Das eröffnet dem Geheimniskrämer zum einen, sich zurückzuziehen aber zum anderen offeriert es Dritten, all die schmutzigen Geheimnisse herauszufinden. Et voila: Das Spielangebot ist da! Und seien wir ehrlich. Wir alle schreiben doch fleißig schmutzige Geheimnisse und Leichen in den Kellern in die Hintergrundgeschichte, damit sie herausgefunden werden. Das macht angreifbar und dieser Angriff erzeugt tolles Spiel. Es entsteht eine Wechselwirkung aus Aktion und Reaktion. Aus Angriff, Rache und Gegenrevenge. Und das bringt die Tiefe ins Spiel; diese eine Ebene, die abseits von Politik und Etikette gesucht und erwünscht ist.
Was also sollte und kann guten Gewissens in einer Downtime gespielt werden? Persönliche und emotionale Momente! Der intime Rahmen schafft die perfekte Atmosphäre tief psychisches Spiel zu bekommen. Das Private eröffnet die Möglichkeit, die Figur eines Mitspielers auf Ebenen kennenzulernen, die er zurecht nicht auf Abenden präsentiert. Das Erleben wird plastischer. Das Zusammenspiel intensiver, es entwickeln sich ganz neue Mechaniken und das Verständnis für eine andere Figur, die man sonst nur im Kontext von gesellschaftlichen Auftritten erlebt, nimmt zu und wird im besten Falle noch tiefer.
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