Die Verantwortung als Spieler
Gerade in kleinen Runden gilt die Regel, dass jeder Spieler nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle anderen Mitspieler agiert. Daher gilt bei Urbs Jovis die Regel „Miteinander, füreinander“ – doch was genau bedeutet das eigentlich für mich?
Vampire Live folgt in der Regel einem simplen Aufbau. Wir spielen weniger plotgetrieben und viel mehr frei, es geht um Politik und Intrigen, Machtspiele und den inneren Verfall. Vampire Live ist ein proaktives Spiel, welches von jedem Mitspieler ein hohes Maß an Schauspiel, aber auch emotionalem Expressionismus erfordert. Ein Domänenabend zum Beispiel ist ein Aufeinandertreffen starker Persönlichkeiten auf engem Raum – das muss knallen! Vampire sind Raubtiere, sie beißen und kratzen und unterwerfen sich nur den absolut stärkeren – und selbst denen versuchen sie noch eine Falle zu stellen um sie irgendwann zu Fall zu bringen.
Als Spieler bist Du direkt für diese Welt verantwortlich. Kein Plot, kein Abendkonzept und keine Spielleitung der Welt kann Dir Deinen Part in diesem Stück abnehmen oder leichter gestalten. Du musst Leistung liefern. Du musst dafür sorgen, dass diese Welt das wird was Du dir vorstellst – was Dein Charakter sich vorstellt. Und Du musst dabei stets im Hinterkopf haben was wir hier spielen. Wir spielen Vampire: The Masquerade – ein Spiel in dem es um das blanke Überleben von höchst unmenschlichen Monstern in einer Welt voller Fallen und Verlockungen geht. Vampire Live ist kein Ponyhof – es sei denn Du machst es dazu.
Jeder Vampir in dieser Welt hat Ziele – höchst egoistische natürlich. Sie wollen Macht, sie wollen Einfluss, sie wollen überleben. Diese Ziele kann man OT als Spieler auf die eine oder auf die andere Art und Weise erlangen. Aber meist ist die eine Variante die korrekte, von der alle Spieler profitieren und nicht nur man selbst. Mal zwei etwas überzogene Beispiele:
Bill Brujah möchte unbedingt das Amt als Ancilla einnehmen. Er möchte, dass die Alten ihn sehen, ihn wahrnehmen und ihm Macht verleihen. Denn Bill möchte Macht, er möchte endlich in der Nahrungspyramide aufsteigen. Und Bills Plan an die Macht zu gelangen ist höchst diabolisch.
Szenario 1: Bill sitzt die Sache aus! Jeden Domänenabend hält er sich im Hintergrund – er fällt nicht auf, er hält sich aus Sachen raus. Er sucht keinen Streit, er greift niemanden an. Er bringt sich nicht in den Vordergrund, er ist einfach quasi nicht existent. Brillant Bill! Irgendwann werden schon alle anderen von der Bildfläche verschwinden, irgendwann bist du der letzte der auf die Abende kommt und dann wird schon irgendein Ahn sich erweichen lassen und dich zum Ancilla machen! Monstermäßiger Plan!
Szenario 2: Bill sorgt dafür, dass die Alten ihn sehen. Er steht auf und vertritt seine Meinung. Er argumentiert, kämpft für seine Sache. Er führt und leitet, er berät und er zeigt Initiative. Bill zeichnet sich als Anführer ab und er lässt es nicht zu, dass einer seinen Status untergräbt. Die Alten beobachten sein Treiben interessiert und auch wenn sie es ihm nicht direkt zeigen, er fällt positiv auf. Einen Kämpfer holt man sich lieber in die eigenen Reihen als ihn zu verlieren oder später gar gegen sich zu haben.
Oh Wunder, oh Wunder, natürlich ist Szenario 2 der Gewinner. Und zwar in mehreren Hinsichten! Denn einerseits ist es logisch – natürlich muss man auffallen um bei den Alten gesehen zu werden und zum anderen bringt es Spiel für ALLE anderen im Raum. Die Mitspieler von Bills Darsteller können sich an dem Charakter aufreiben, sie können versuchen ihn zu Fall zu bringen, sie können seinen Plan unterstützen um damit selbst aufzusteigen und so weiter und so fort.
Oft sieht man dennoch das Szenario 1. Es ist das sichere Szenario. Man wagt nicht zu viel, der Charakter wird nicht angegriffen, er präsentiert sich nicht im Mittelpunkt und es braucht auch kein schauspielerisches Talent. Leider ist Szenario 1 auch jenes welches zum meisten Frust auf allen Seiten führt. Es frustriert die Mitspieler, denn der Spieler von Szenario 1 ist vielmehr ein Statist im Hintergrund als wirklich ein Mehrwert für das eigene Spiel und das Spiel der Runde. Es frustriert die Spielleitung, denn jene versucht natürlich stets ein episches Drama sondergleichen zu inszenieren und Plot um gerade jene Charaktere zu schreiben die der Sache dienlich sind – doch wo niemand ist, dann kann auch niemand solch eine Story mittragen. Und zu guter Letzt frustriert es den Spieler selbst. Natürlich, denn man möchte ja gesehen und IT ernst genommen werden – aber, wenn man so gar nichts dafür tut, dann muss man sich auch nicht wundern, dass nichts zurückkommt.
Und schon gar nicht darfst Du erwarten, dass andere Spieler oder die Spielleitung schon dafür sorgt, dass du Spiel hast oder Deine Ziele erreichst. Das wird nicht passieren. Du bist Deines eigenen Glückes Schmied. Du musst deine Schachzüge machen, Du musst Ideen haben und diese umsetzen und Du musst aufstehen und mit Aktionen glänzen damit etwas passiert an dem Du Spaß hast. Rumsitzen, hoffen und eine falsche Erwartungshaltung bringen Dich nicht voran. Du spielst ja auch kein Mensch-Ärger-Dich-Nicht und erwartest dabei, dass die anderen Spieler deine Figuren nach vorne schieben, für Dich würfeln und dafür sorgen, dass Du am Ende auch noch gewinnst. Oder etwa doch?
Es liegt also ganz einfach an Dir!
Mach etwas im Spiel, aber mach es bitte nicht nur für Dich selbst. Wage mal was, riskiere etwas. Dein Charakter wird nicht sofort draufgehen nur, weil er mal ein Risiko eingeht oder auf die Nase fällt. Ganz im Gegenteil – nur wer wagt, der gewinnt. Auffallen, proaktiv spielen, und vor allem anderen immer daran denken unter welchem Leitsatz wir alle unser Hobby betreiben: Füreinander, miteinander.
Ein Hobby ist etwas, dass wir alle in unserer Freizeit, freiwillig und aus Spaß an der Sache betreiben. Vampire Live nimmt vielleicht 6-10 Stunden pro Monat von Deiner Zeit in Anspruch – gerade genug um etwas Tolles zu reißen und wenig genug, dass es Dir keine Zeit für die anderen wichtigen Dinge im Leben wegnimmt. In diesen 6-10 Stunden, denke bitte immer daran, dass dieses Hobby nur funktioniert, wenn Du die Dinge die Du tust im Sinne des gesamten Rundenspiels machst – nicht nur für Dich und Deinen Charakter selbst.
Vampire mit Freunden, füreinander und miteinander. Ein so kurzer und einfacher Leitsatz, der doch so vieles bedeutet und die beste Anleitung zu wunderbarem, gemeinen Vampire Live darstellt.
– Jules
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